Die versoffene Juristin
© 2000 Oliver Meise
(Text) -Keine Gewährleistung-
Alle Photos: © 2000
Lutz Drößler
Wir schreiben das Jahr 1864.
An einem kühlen Frühlingsmorgen -es ist der 12.Februar- wirft
endlich ein Matrose um 9.30 Uhr die Leinen im schweizerischen Hafenstädtchen
Romanshorn los.Die mit 45 nominalen PS ca. 12 Meilen schnelle Jura,
ein
hölzernes Schaufelrad-Dampfboot der Maschinenfabrik Escher-Wyss
& Cie in Zürich liegt eine halbe Stunde hinter ihrem
Fahrplan zurück und will versuchen die verlorene Zeit wieder aufzuholen.
Die 46m lange Jura
fuhr ursprünglich seit ihrer Indienststellung am 7. September 1854
als Glattdecksdampfer auf dem Lac du Neuchatel für die Societe
des Bateaux du Lac du Neuchatel. Der Neupreis betrug damal 137.000
Franken. Doch dann kam der Tag an dem die "Lindauer Dampfboot-Actiengesellschaft"
ein neues Dampfboot suchte um die Strecke Lindau/Konstanz bedienen zu können.
Das alte Dampfboot für diese Strecke -die Ludwig war leider
durch ein Unglück mit der Stadt Zürich untergegangen.So
stellte sie dann die Jura am 19. September bei dieser Gesellschaft für
70.000 Franken in Dienst - bis zu diesem schicksalsschweren Tag.
Langsam kriecht denn das
von einer stehend oszillierenden 2-Zylinder Niederdruckmaschine angetriebene
Schiff mit Kurs auf Konstanz aus der Hafenausfahrt durch den dichten Nebel.Per
Schiffsglocke werden auf Geheiß von Kapitän Motz in regelmäßigen
Abständen Signale gegeben,um die Schifffahrt auf das kommen eines
Schiffes aufmerksam zu machen. An Bord betrachtet der Großteil der
Passagiere an Deck das Lichtspiel der durch die Nebelbänke scheinenden
Sonnenstrahlen, als ca. ein Kilometer vor dem Uferstädchen Bottighofen
gegen 11 Uhr das eigene Schiff von dem plötzlich aus dem Nebel auftauchenden
schweizerischen Dampfschiff Stadt Zürich an der Steuerbordseite
gerammt wird. Der Bug der Stadt Zürich bohrt sich kurz
hinter dem Bugspriet in den 10,2m breiten Rumpf und reißt ein ca.
fünf Meter langes Loch.Sofort dringt Wasser ein und führt innerhalb
von wenigen Minuten zum Untergang. Die Jura ist gesunken!
Glücklicherweise war
das Schiff nicht mit seiner vollen Passagierkapazität von 400 Fahrgästen
besetzt.So fordert das Schiffsunglück nur ein Opfer; ein Matrose wurde
beim Zusammenprall außenbords geschleudert und ertrank.Alle anderen
können sich auf die Stadt Zürich retten.
Mit ihr versinkt auch die
Ladung aus Seidenballen,Käselaibern,Baumwollballen, Rindern und Bandeisen.
Zeitgenössische Tageszeitungen
berichten über das Unglück wie folgt:
Lindauer Tagblatt für
Stadt und Land, No. 38, Samstag, 13. Februar 1864
Lindau, 12.Februar
Wir erhalten die erschütternde
Kunde von einem neuen großen Unglücksfalle, den eines der hiesigen
Dampfboote, die Jura heute betroffen hat. Nachdem dieses schöne,
erst kurze Zeit im Besitz des hiesigen Betriebes stehende Dampfboot auf
seiner regelmäßigen Tourfahrt nach Konstanz diesen Vormittag
den Hafen von Romanshorn verlassen, stieß dasselbe bei dichtem Nebel
in der Nähe von Münsterlingen mit dem schweizerischen Dampfboot
Stadt
Zürich derart zusammen, daß es fast augenblicklich sank
und die sich darauf befindlichen Passagiere und Mannschaften nur mit großer
Mühe sich noch auf das Dampfboot Stadt Zürich, daß
zum großen Glück fast unbeschädigt blieb, retten konnten.
Der Tod eines Matrosen, Rupflin von hier ist zu beklagen, und der Schiffsjunge
Buschor soll einen Armbruch erlitten haben.
Seeblatt für Stadt
und Land, No.18, Samstag, 13. Februar 1864
Friedrichshafen, 12. Februar
Das schweizerische Dampfboot Stadt Zürich ist heute vormittag
gegen 11 Uhr bei Münsterlingen unterhalb von Romanshorn mit dem nach
Constanz steuernden bayer. Dampfboot Jura bei ziemlich starkem Nebel
zusammengestoßen und hat dasselbe in den Grund gebohrt. Passagiere
und Mannschaft gerettet,jedoch ein Matrose auf der Stelle getötet
worden, denselben soll es förmlich zerspalten haben, dem Schiffsjungen
ein Arm abgebrochen. Der Zusammenstoß muß ein ungemein heftiger
gewesen sein, da nach Verlauf von kaum 3 Minuten die Jura vom Spiegel
des Sees verschwunden gewesen. Das Boot Jura , welches vorher auf
dem Bieler See lief ist von der bayrischen Regierung bekanntlich als Ersatz
für das ebenfalls infolge eines Zusammenstoßes mit der Stadt
Zürich , am 11. März 1861 untergegangenen Ludwig angekauft
worden, und wieder ist es das Boot Stadt Zürich , welches nun
auch den Jura nach nicht gar langer Fahrt auf dem Bodensee ein Grab
in den Tiefen des Sees gebettet - möchte man da nicht versucht werden,
das Boot Stadt Zürich den bösen Geist des Bodensee´s
zu nennen!
Wie schon erwöhnt,
liegt das Wrack der Jura heute einen Kilometer vom Ufer Bottighofens
entfernt in einer Tiefe von 38 bis 40m - je nach Wasserstand des Sees.Es
wurde nach ca. 100 Jahren im Jahre 1968 von einem Taucher wiederentdeckt,der
eigentlich auf der Suchen nach einem Flugzeug aus dem 2.Weltkrieg war.
Jahrelang war dieses Wrack dann so eine Art Geheimtip unter den lokalen
Tauchern bis dann eine Fernsehreportage dem Wrack den Schleier des Vergessens
nahm und ihm seitdem einen regelmäßigen Taucherbesuch bescherte.So
kommt es ,daß heutzutage vor allem an den Sommerwochenenden täglich
bis ca. 20 Taucher das Wrack besuchen.Leider hat das Wrack der Jura
darunter leiden müssen.Viele Bootsanker haben das hölzerne Wrack
teilweise beschädigt.
So sind durch die Anker
Decks- und Radkästen zerdeppert worden.Durch Denkmalschützer
wurden sie zT. wieder hergerichtet. So muß man sich nicht verwundert
die Augen reiben wenn man an dem Wrack zahlreiche blanke Nagelköpfe
oder den blanken Namenszug Jura am Bug des Schiffes sieht.
Zu den ebenfalls wieder
"betriebsklaren" Attraktionen gehört der wieder hergerichtete Abort
im Radkasten dieses Schaufelraddampfers.Ursprünglich sorgte die Tiefe
und sauerstoffarmes Wasser dafür,daß das Wrack bemerkenswert
gut erhalten war.Doch viele der Taucher begnügten sich nicht mit dem
Anschauen oder Photos.Schon bei der Anfahrt und der genauen Suche nach
dem Wrack zerstörten die nachgeschleppten Suchanker viel von der Deckstruktur.
Außerdem wurde vieles abmontiert oder zerschlagen.Ein weiteres ist
die ausgeatmete Atemluft der Taucher.Sie reicherte das Wasser mit Sauerstoff
an,weshalb nun diverse Metallteile schneller verrotteten.
Bevor man aber nun am Wrack
abtaucht, sollte man unbedingt vorher das folgende beachten! An diesem
zwischen 38 und 40m tiefen Tauchplatz muß man sich -wie auch sonst
im Bodensee- auf die hier üblichen Bedingungen einstellen: Dunkelheit
und Kälte.Entsprechend muß die Ausrüstung beschaffen sein!
Hierzu gehört ua. ein ausreichender Kälteschutz,Lampen,zwei getrennte
erste Stufen etc.pp.
Auch wegen der eventuell
anfallenden Dekopausen im Freiwasser ist das Wrack eher nur etwas für
den erfahrenen Taucher.Über das Jahr hinweg ist das Frühjahr
und der Spätsommer (bis Winter) die beste Zeit für einen Tauchgang
hier.Außerhalb dieser Zeit färbt sich das Wasser wegen der Algenblüte
oder trübt wegen der Schneeschmelze ein.Am Wrack angekommen ist unbedingt
das feine Sediment in Rechnung zu stellen,daß bei der leisesten Bewegung
aufwirbelt und die Sicht eintrübt. Zum Wrack kommt man über eine
der lokalen Tauchbasen oder Bootsschiffer. Diese bieten Ausfahrten an.Man
sollte sich aber frühzeitig anmelden, da diese Ausfahrten oft ausgebucht
sind.
Ist man nun endlich über
dem Wrack angekommen,wird in der Regel entlang eines Bojenseils abgetaucht.
Hier bietet sich dann der Bug als Ausgangspunkt für die Wrackbesichtigung
an.
Besonders eindrucksvoll
sind am Bug nicht nur die Schnitzereien am Klüverbaum, sondern auch
deren erstaunlicher Erhaltungszustand.
Immerhin ist das mal bloß
aus Holz bestehende Wrack schon fast 140 Jahre alt! Hat man an der Bordwand
am Bug alles gesehen, kann man über das Deck in Richtung Heck tauchen.Dabei
kommt man noch in der Bugsektion an der Ankerwinde mit ihrer interessanten
Zahnradkonstruktion vorbei. In der leeren Gabel über dem Kurbelgestänge
dieser Ankerwinde befand sich einst die Schiffsglocke der Jura.
Diese befindet sich heute in einem schweizer Museum in der Stadt Kreuzlingen.
Begibt man sich nun weiter
in Richtung Heck, sollte man wieder an der Bordwand entlangtauchen. Hier
kommt schon sehr bald der schon oe. Schriftzug Jura aus blanken
Metalllettern ins Blickfeld. Begibt man sich von hier aus entlang der Bordwand
weiter nach dem Heck, stößt man umgefähr in Schiffsmitte
auf die wie Erker aus der Bordwand herausragenden Radkästen. Taucht
man an dieser Stelle über das Deck an sie heran, könnte man theoretisch
auch diesen Decksaufgang zum Radkasten benutzen :-)
Stattdessen kann man aber
auch decksseitig die Radkästen selbst untersuchen.Hier bietet sich
mangels einer WC-Türe das Plumpsklo über den Schaufelrädern
dem Blick interessierter Betrachter dar.
Taucht man an dieser Stelle
wieder ab und begibt sich außen an der Bordwand unter die Radkästen,kann
man einen Einblick in die Technik des Schaufelradantriebes gewinnen. Zunächst
rücken die Schaufelräder selbst in das Zentrum der Aufmerksamkeit.
Sie bestehen aus radförmig angeordneten Speichen aus Stahlstangen
und bilden ein Rad von 3,11m Durchmesser. An den Speichen sind bei jedem
Schaufelrad zwölf Schaufelbretter angebracht. Der untere Teil der
Schaufelräder befindet sich hier im Sediment und natürlich hängen
auch die Schaufelbretter zT. recht schief im Schaufelrad.
Schaut man an dieser Stelle
mal beim Antrieb des Schaufelrades genauer hin -und hat man überdies
auch trotz der Tiefe noch einen klaren Kopf- erschließt sich einem
auch die Technik des Schaufelradsystems. Hier insbesondere die Schaufelradlagerbuchse
mit Schmiernippel und Übergang zur Kurbelwelle.
Begibt man sich nun wieder
auf Deckshöhe mit der Absicht zum Heck zu tauchen, stößt
man an der Hinterkante der Radkästen auf die beiden Dampfkessel des
Schiffs. Die obenliegende Feuerluke ist verschlossen -ein Hinweis darauf,daß
genug Dampf und Geschwindigkeit für Rudermanöver vorhanden gewesen
wäre.
Zwischen den beiden Kesseln
befindet sich der mittlerweile umgestürzte Schornstein der Jura.
Schaut man sich das hier
offenliegende Antreibssystem genauer an, kann man sogar die Antriebspleuel
der Dampfmaschine inklusiver dazugehöriger Zylinder erkennen!
Hat man sich hier sattgesehen,
kann man über das sich hier anschließende weitläufige Deck
weiter nach hinten zu den dortigen Schiffsaufbauten begeben. Diese bestehen
im Kern aus einem Schönwettersteuerstand. In diesem Heckbereich sollte
man nicht unter Deck tauchen wegen dem auch hier schnell die Sicht eintrübenden
Sediment.Man halte sich vor Augen,daß hier die tragenden Balken schon
etwas älter sind und einkrachen werden! Von dem Schönwettersteuerstand
des Schiffsführers ist vor allem die Rudermaschine mit ihren Kraftübertragunssystem
aus Zahnrädern übriggeblieben.
Ganz in der Nähe dieser
Rudermaschine befinden sich auf der Bordwand interessant zu betrachtende
Heckpoller mit denen früher das Schiff zB. am Ufer festgemacht wurde.
Langweilt man sich eher
mit den Pollern, kann man durch die Heckreeling hindurch tauchen.
Taucht man hier ab, kann
man auch das Ruder betrachten. Es hat noch einen leichten Einschlag zur
einer Seite -ein Manöver des letzten Augenblicks vom Kapitän
um der Kollision zuvorzukommen?
Die hier zur Verfügung
gestellten Aufnahmen stammen von dem großzügigen Spender und
Urheberrechtsinhaber Herrn Lutz Drößler.
Sie sind außerdem
noch zugänglich über seine schöne Homepage http://www.lutzdroessler.de/ |